Über fluide Realitäten und Wahr­nehmung

Erinnerst du dich noch an die Internet-Diskussion um das Bild eines Kleides, das einige eindeutig in den Farben Schwarz und Blau sahen, während andere überzeugt waren, dass es gold und weiß war? Dieses optische Rätsel wurde 2015 zu einer Sensation im Internet und führte zu intensiven Diskussionen darüber, wie Menschen dasselbe Bild so unterschiedlich wahrnehmen können. Die Realität schien hier zu fluktuieren, je nach individueller Wahrnehmung.

Auch in Sachen Audio können unsere Sinne uns manchmal täuschen: Eine weitere virale Internetdebatte aus dem Jahr 2018 beschreibt das „Yanny“ oder „Laurel“-Phänomen, bei dem ein kurzer Audio-Clip die Frage aufwirft, welche der beiden Wörter wirklich zu hören ist. Der ursprüngliche Clip war ein Ausschnitt aus der Aussprache des Wortes „Laurel“ auf der Website Vocabulary.com.

Die Debatte breitete sich schnell aus, erreichte soziale Medien, Nachrichtenkanäle und Prominente. Audiologen erklärten schließlich, dass die unterschiedliche Wahrnehmung auf den Frequenzen im Audio-Clip basiere. Die tieferen Frequenzen tendierten dazu, als „Laurel“ gehört zu werden, während die höheren Frequenzen eher als „Yanny“ interpretiert wurden. Die individuelle Hörfähigkeit und die Qualität der verwendeten Audiogeräte spielten ebenfalls eine Rolle.

In einer Welt, die sich ständig verändert und in der unsere Wahrnehmung von unzähligen Einflüssen geformt wird, taucht die Idee der „fluiden Realitäten“ auf. Stell dir vor, wir stehen auf einem Berggipfel und blicken auf den Horizont, wo die Sonne in einem bunten Farbspektakel untergeht. Für mich scheint der Himmel in einen intensiven Orangeton getaucht, während du genau dasselbe Bild betrachtest und schwörst, dass es eher in Richtung Pink geht.

Im Team ist es wichtig, unterschiedliche Designansätze zu akzeptieren und konstruktive Kritik zu geben. Dabei geht es nicht darum, den persönlichen Stil als „richtig“ oder „falsch“ zu bewerten, sondern vielmehr darum, die Stärken und Perspektiven jedes Teammitglieds zu nutzen. Vor allem durch die Zusammenarbeit an größeren Projekten lernen wir in der MKD, wie unterschiedliche Perspektiven u.a. zu einer vielfältigen Darstellung führen können.

In der Zusammenarbeit mit Kunden zeigt sich die fluide Wahrnehmung zum Beispiel während des Briefings oder im Feedback-Prozess. Beim Briefing können aufgrund individueller Sichtweisen unterschiedliche Kundenerwartungen und Interpretationen des Projekts auftreten. Es ist wichtig, diese Vielfalt zu erkennen, um von Anfang an eine klare Kommunikationsbasis zu schaffen. Durch persönliche Erfahrungen und ästhetische Präferenzen wird Feedback schnell zu einer subjektiven Meinung. Sich dessen bewusst zu werden fördert eine effektive Zusammenarbeit und führt zu Lösungen, die die Vielschichtigkeit der Zielgruppen ansprechen können.

In dieser Diskrepanz der Wahrnehmung zeigt sich, dass es keine einheitliche Wirklichkeit gibt. Die fluiden Realitäten im Kontext von Farben und Wahrnehmung erinnern uns daran, wie vielseitig und dynamisch unsere Auffassungen von der Welt sein können. Es zeigt auch, wie Diskussionen und sogar Meinungsverschiedenheiten über scheinbar einfache Dinge wie die Farbe eines Kleides eine tiefere Einsicht in die Nuancen unserer individuellen Wahrnehmung bieten können.


Text von Lisa Perendi

Titelbild: Henrik Donnestad auf Unsplash


Quelle & Audiofile zum „Yanny“ & „Laurel“-Phänomen
Was hörst du?

Bild Kleid: „Welche Farbe siehst du?“

Das Originalkleid ist tatsächlich schwarz und blau.